Können Miterben untereinander Auskunft über den Bestand des Nachlasses verlangen?
Die Praxis zeigt, dass manche Miterben bereits vor dem Fall ein gewisses Näheverhältnis zum Erblasser hatten. Diese Personen sind manchmal mit einer Vollmacht ausgestattet worden, hatten Zugang zur Wohnung bzw. zum Haus des Erblassers und kennen deshalb die Vermögensverhältnisse des verstorbenen deutlich besser als andere Miterben, die keinen oder nur sehr wenig Kontakt hatten.
Der Erbrechtsexperten Ludger Bornewasser und Bernhard F. Klinger, Fachanwälte für Erbrecht in München, erläutern in diesem Beitrag, welche Möglichkeiten ein Miterbe hat, nach dem Erbfall von den anderen Miterben Auskunft über die Nachlassaktiva und Nachlasspassiva zu fordern.
Es stellt sich die Frage, ob diejenigen Erben, die mit einem so genannten Monopolwissen ausgestattet sind, dieses den anderen Mitgliedern der Erbengemeinschaft zur Verfügung stellen müssen. Auch wenn der juristische Laie Grundsatz verständlich von einer bestehenden Auskunftspflicht ausgeht, setzt der Bundesgerichtshof (BGH) hierfür eine ganz klare Grenze: Miterben sind nur dann untereinander zur Auskunft über den Nachlassbestand verpflichtet, wenn es hierfür eine gesetzliche Grundlage gibt oder ausnahmsweise eine Verpflichtung aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) abzuleiten ist. Eine generelle Auskunftspflicht wird vom BGH also verneint.
1. Auskunftsansprüche eines Miterben aufgrund gesetzlicher Grundlage
Auskunfts-und Rechenschaftspflichten eines Miterben sind in verschiedenen gesetzlichen Vorschriften geregelt.
a) Rechenschaftspflicht eines Miterben der Verwaltungsaufgaben übernommen hat
Hat der Erblasser zu seinen Lebzeiten eine Person bevollmächtigt, so muss dieser Vollmachtnehmer nach Eintritt des Erbfalls der Erbengemeinschaft gegenüber Rechenschaft legen (§ 666 BGB). Eine Rechenschaftslegung Verpflichtung besteht auch dann, wenn nach dem Erbfall einer der Miterben eine Notverwaltungsmaßnahme im Sinne des § 2038 BGB eingeleitet hat, oder ein Miterbe von der Erbengemeinschaft zur Verwaltung eines Nachlassgegenstandes beauftragt wurde. In diesem Fall ergibt sich eine Auskunftsverpflichtung aus § 745 BGB.
b) Auskunftspflicht eines Hausgenossen
Lebte der Erblasser mit einem Miterben in einer so genannten häuslichen Gemeinschaft, so ist er gemäß § 2028 BGB den anderen Mitglieder Erben gegenüber verpflichtet Auskunft über die von ihm geführten erbschaftlichen Geschäfte und den Verbleib von Erbschaftsgegenständen zu erteilen. Eine Verpflichtung über den Nachlassbestand Auskunftserteilung besteht demgegenüber nicht.
c) Auskunftsverpflichtung des so genannten Scheinerben
Wurde einem Miterben zunächst ein Erbschein erteilt, der sich später aber als unrichtig erwiesen hat und deshalb vom Nachlassgericht eingezogen wurde, so wird diese Person als so genannter Scheinerbe bezeichnet. Der wirkliche Erbe kann dann gemäß § 2362 BGB vom Scheinerben Auskunft verlangen.
d) Auskunftsverpflichtung des so genannten Erbschaftsbesitzers
Als Erbschaftsbesitzer wird eine Person bezeichnet, die sich z.B. anmaßt Alleinerbe geworden zu sein, dies tatsächlich aber nicht ist. Handelt es sich nun bei diesem Erbschaftsbesitzer um einen der Miterben, so können die anderen Miterben gemäß § 2027 BGB Auskunft über den Nachlassbestand und den Verbleib einzelner Nachlassgegenstände verlangen.
2. Auskunftsverpflichtung eines Miterben nach dem Grundsatz von Treu und Glauben
Sofern keine gesetzliche Verpflichtung zur Auskunftserteilung besteht, kann sich in gewissen Ausnahmefällen aus § 242 BGB nach dem Grundsatz von Treu und Glauben eine Verpflichtung des Miterben ergeben. Die Grenzen die hierfür der BGH in seiner Rechtsprechung (NJW 1993, 2737) setzt sind aber sehr eng gefasst, mit der Folge, dass im Regelfall Miterben untereinander nicht verpflichtet sind, vorhandenes Wissen oder Informationen auszutauschen.
Expertentipp
Sofern ein Miterbe sich Kenntnis über den Nachlassbestand verschaffen will, bieten sich noch folgende Informationsmöglichkeiten an:
- Antrag auf Einsicht in die nachlassgerichtlichen Akten
- Anfrage bei der Bank des Erblassers zur Vorlage einer so genannten Kontoverlaufsübersicht
- Einsichtnahme in das Grundbuchamt
- Einsichtnahme in das Handelsregister